Haftungsstreit nach Baustellen-Unfall

Verletzt sich ein auf einer Baustelle tätiger selbständiger Unternehmer wegen einer unzureichend abgesicherten Gefahrenquelle, hat der Bauherr dafür einzustehen. Den Verletzten trifft jedoch wegen seines unvorsichtigen Verhaltens eine Mitschuld, urteilte der Oberste Gerichtshof (OGH).

Ein Gastwirt ließ als Bauherr Personalwohnungen errichten. Dafür bestellte er einen Baumeister, der die Arbeiten koordinieren und für Sicherheit auf der Baustelle sorgen sollte. Dieser gab die Anweisung, einen Lichtschacht absturzsicher abzudecken. Dabei muss die Abdeckung so fest sein, dass sie nicht verschoben werden kann. Die daraufhin getroffenen Sicherheitsmaßnahmen entsprachen allerdings nicht den gegebenen Vorschriften.

So kam es auch zu dem Unfall eines selbstständiger Unternehmers, der auf der Baustelle mit Betonbohrarbeiten beauftragt war. Weil die Betonstiege verstellt war, nahm er den Weg über die Abdeckung, um an seine Arbeitsstelle zu gelangen. Dabei rutschten die Abdeckbretter weg, er fiel vier Meter in die Tiefe und verletzte sich schwer.

Wen trifft die Schuld – Bauherr, Kläger oder beide?

Der verletzte Unternehmer brachte nun Klage gegen den Gastwirt ein. Dieser bestritt seine Haftung vor allem mit der Begründung, er habe einen Baustellen-Koordinator bestellt. Zudem sei der Kläger am Unfall selbst schuld, da er diesen durch unvorsichtiges Verhalten herbeigeführt habe.

Das Erstgericht sprach sich für eine um 50% geminderte Haftung des Bauherren aus, da den Kläger eine Mitschuld treffe. Das Berufungsgericht wies die Klage hingegen zur Gänze ab, weil sich der Kläger in eine offensichtliche Gefahr begeben habe und damit eine Verletzung von Fürsorgepflichten des Bauherrn ausscheide.

OGH: Mitschuld des verunfallten Unternehmers

Der Oberste Gerichtshof (1 Ob 174/16v) stellte die erstgerichtliche Entscheidung wieder her. Die Bestellung eines Baustellenkoordinators könne den Bauherrn nur gegenüber geschädigten Arbeitnehmern von seiner Haftung befreien. Verletzt sich ein selbstständiger Unternehmer, treffe den Bauherrn die allgemeine Fürsorgepflicht. Ihm seien auch Unterlassungen des Baustellen-Koordinators zuzurechnen.

Ein Alleinverschulden des Klägers steht für den OGH schon deshalb nicht zur Debatte, weil für ihn keineswegs offensichtlich war, dass die Abdeckung bei einem Betreten wegrutschen könnte. Allerdings treffe ihn ein Mitverschulden, weil es ihm auch möglich gewesen wäre, den sichereren Weg über die Stiege zu nehmen und den dort befindlichen Hindernissen auszuweichen